Backen im Krieg - Reiner Dietl und der LIV besuchen eine ukrainische Bäckerei und Konditorei

Reiner Dietl aus dem niederbayerischen Elisabethszell wäre kein Bäckermeister, wenn er sich im Rahmen seines Hilfsprojektes ‚Ukrainehilfe Straubing-Bogen‘ nicht auch brennend für das ukrainische Bäckerhandwerk interessieren würde. Beim 11. Hilfskonvoi am 25.03.2023 in die Westukraine führte ihn sein Weg deshalb in die Backstuben von Tatjana Pekar und Galyna Repanik in der Gemeinde Welykyj Beresnyj. Begleitet wurde er dabei von zehn engagierten Ehrenamtlichen, darunter auch Marianne Wagner, Pressereferentin des Landes-Innungsverbands des bayerischen Bäckerhandwerks (LIV). Auch sie reist bereits das fünfte Mal in die Ukraine.

„Unsere Ukrainehilfe ist inzwischen in einer neuen Phase“, berichtet Reiner Dietl. „Nach wie vor bringen wir dringend notwendige Hilfsgüter. Daraus hat sich aber ein neuer Ansatz entwickelt. Wir bauen die Partnerschaft zwischen uns und der Gemeinde Welykyj Beresnyj auf. Dazu gehört auch die Zusammenarbeit mit den dortigen Handwerksbetrieben wie die Bäckerei und die Konditorei.“ Der Bürgermeister der Gemeinde Bogdan Kyrlyk stellte den Kontakt her und begleitete die Fahrt vor Ort.

In einer ukrainischen Backstube
Beim Betreten der Backstube von Tatjana Pekar, deren Nachname übrigens übersetzt Bäcker heißt, fühlt sich Reiner Dietl gleich daheim. Der Duft von frischem Brot zieht durch den Raum. Die Ausstattung ist in die Jahre gekommen, aber sehr funktional und für die Situation in der Ukraine durchaus modern.
Tatjana Pekar lächelt und berichtet auf Ukrainisch von ihrem Betrieb. Eine Übersetzerin hilft, die Sprachbarriere zu überwinden, wenngleich das Leuchten in Tatjanas Augen eine ganz eigene deutliche Sprache spricht. Sie freut sich über den Besuch. Reiner Dietl und Marianne Wagner schauen sich um, gehen von einem Arbeitsraum der Bäckerei in den nächsten. Mit jedem Schritt wird klar, dass es sich um alles andere als einen kleinen Familienbetrieb handelt. Die Bäckerei von Tatjana Pekar ist ein großer Betrieb, auch wenn das die verwinkelten Räume und der kleine Laden davor erst nicht vermuten lassen. 70 Mitarbeiter backen hier täglich Brot und Backwaren. Der Betrieb ist wesentlicher Bestandteil bei der Versorgung der Menschen der Region mit Lebensmitteln. Es ist ein erstes Kennenlernen, ein Ausloten der Möglichkeiten, wie eine wirksame Unterstützung aussehen kann.
Tatjana Pekars Augen leuchten noch mehr, als Marianne Wagner ihr im Namen des Verbandes und der bayerischen Bäcker ein Schaubrot mit herzlichen Grüßen aus Bayern überreicht. Die bayerische und die ukrainische Flagge zieren den Laib. Sie stehen für die Solidarität mit dem Bäckerhandwerk in der Ukraine.

Konditorenkunst – Selfmade
Weiter geht es zu Galyna Repariuk nur wenige Kilometer weiter. Ihr kleines Café könnte so auch in Bayern stehen. Vor dem Haus laden Holztische zum Verweilen ein und auch innen erwartet die Besucher eine gemütliche und stilvolle Einrichtung. Es ist ein Ort, an dem man den Krieg für eine Weile vergessen kann.
„Ich bin sehr beeindruckt von dem, was Galyna Repariuk allen Hindernissen zum Trotz aufgebaut hat“, so Marianne Wagner. „Sie ist keine ausgebildete Konditorin und hat es doch geschafft Gebäcke und Torten in einer Qualität zu entwickeln, die über die Grenzen der Region hinaus bekannt sind.“

Angefangen hat alles mit der Liebe zu gutem Kaffee. Galyna Repariuk ist durch diese Liebe zu einer echten Kaffeeexpertin geworden. Hierzulande würde man das eine Barista nennen. Die Chemikerin träumte von einem Café, in dem sie diese Begeisterung teilen kann. Diesen Traum erfüllte sie sich mit harter Arbeit. Der Gedanke, zum Kaffee auch ausgezeichnetes Gebäck zu servieren, war ihr nächster Ansporn. Sie erarbeitete sich umfassendes Wissen aus der Welt der Konditorei, experimentierte mit Rezepten, Zutaten und Zubereitungsarten, bis sie endlich mit dem Ergebnis zufrieden war. Das Paradestück ihres Sortiments ist eine ganz besondere Torte, gebacken mit Mandelmehl, einer Sahnecreme mit leichter Quarknote und einer Frucht, für die ihre Heimat bekannt ist: der Waldbeere.

„Mei ist die gut!“ strahlt Reiner Dietl beim Verkosten. „Die zergeht auf der Zunge. Ein echtes Geschmackserlebnis.“
Unglaublich, dass dieses Angebot aus einer so kleinen Konditorei kommt, wie alle bei der Führung durch die winzig kleine Backstube feststellen. Blitzsauber und aufgeräumt, mit allen notwendigen Utensilien ausgestattet ist das der Ort, an dem Galyna Repariuk ihre süßen Kunstwerke zaubert, die sie bekannt gemacht haben. Ein zweites Café gibt es inzwischen auch. Und weil sie ihre Leidenschaft noch weiterentwickeln will, studiert das Konditorentalent nun zusätzlich Ernährungswissenschaften.

Die junge Ukrainerin freut sich über den Besuch. Sie staunt nicht schlecht als Reiner Dietl ihr ein gutes bayerische Brot überreicht, aus seiner Backstube versteht sich. Marianne Wagner überbringt ihr einen Gruß aus Bayern in Form einer Hinterglasmalerei zum Bäckerhandwerk. Auch mit der geschäftstüchtigen Ukrainerin werden erste Überlegungen angestellt, ob und wie eine Zusammenarbeit möglich ist.

Auf dem Programm des 11. Hilfskonvoi stehen an dem Wochenende noch der Besuch einer Grundschule, eines Krankenhauses, einer Behinderteneinrichtung und von Binnenflüchtlingen. Die vielen Helfer, unterstützt von Space Eye e.V. und dem Teilkreis Straubing-Bogen, bringen Spenden, die dringend gebraucht werden. Bewegende Begegnungen prägen diese Fahrt in die Westukraine. Dazu zählen auch die Besuche bei Tatjana Pekar und Galyna Repariuk, deren Betriebe aber auch ein Symbol sind für das Durchhaltevermögen und den Ideenreichtum des Landes sind.

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Tatjana Pekar (li) führt Reiner Dietl (Mitte) und Marianne Wagner (re) durch ihre Backstube.
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Die Einrichtung der Backstube ist verhältnismäßig modern.
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Die Bäckerin freut sich über die Grüße aus Bayern. V.l. Reiner Dietl, Tatjana Pekar, Marianne Wagner, Bogdan Kyrlyk (Bürgermeister Welykyj Beresnyj)
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Die Tradition der Schaubrote kannte Tatjana Pekar noch nicht.
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Galyna Repariuk freut sich über den Besuch aus Bayern. V.l. Reiner Dietl, Galyna Repariuk, Marianne Wagner, Bogdan Kyrlyk (Bürgermeister Welykyj Beresnyj)
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Stolz zeigt Galyna Repariuk ihre kleine Konditorei.
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Die Torte mit Waldbeeren ist Galyna Repariuks Eigenkreation und über die Gemeinde hinaus bekannt.